Am 28.01.2020 besuchte einer der bekanntesten progressiven Rabbinern Deutschlands, Herr Dr. Walter Rothschild, die Klasse 10a der IGS- Rheingauviertel in Wiesbaden. Er kam aus Berlin und wir haben ihn einen Tag davor, am 27.01.2020, an der Gedenkveranstaltung anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz gesehen, an der wir teilnahmen. Es war ein sehr bewegender Abend, an dem die Erinnerung und die Gegenwart in Verbindung standen. Viele Gefühle und Gedanken darüber begleiteten uns noch am Tag des Besuches vom Rabbiner Dr. Rothschild.
Der Rabbiner erzählte uns über seine Religion, über die Entwicklung des Progressiven Judentums und über seine Tätigkeit als progressiver Rabbiner. Wir verglichen die Weltreligionen, was sehr spannend war.
Früher stellten wir uns einen Rabbiner ganz anders vor. Rabbiner Rothschild ist sehr sympathisch, sehr warmherzig und total humorvoll, so war unser zweistündiges Gespräch voller Witze. Alles, was Dr. Rothschild erzählte, war sehr gut nachvollziehbar, gefühlvoll und beeindruckend. Während des Gesprächs haben wir uns sehr wohl gefühlt, wir wurden ernst genommen, unsere Fragen und unsere Meinung waren dem Rabbiner wirklich wichtig. Es war wie ein offenes Gespräch zwischen Freunden und gar nicht belehrend.
Herr Dr. Rothschild gab uns viele Impulse zum Nachdenken. Er schilderte uns verschiedene Erlebnisse aus seinem Leben. Einige seiner Geschichten waren leider sehr traurig. Seine Erzählungen darüber, wie die Juden den Antisemitismus erleben, wie sie angegriffen werden, wie er als Jude manchmal behandelt wird, was ihm persönlich angetan wurde, (insbesondere dass er von Jugendlichen, die ihn gar nicht kannten, angespuckt und geschlagen wurde und dass sein Sohn auf die Gleise geschubst wurde), haben uns sehr getroffen.
Besonders beeindruckend war für uns, dass der Rabbiner, trotz seiner schweren Vergangenheit und traurigen Ereignissen in seinem Leben so offen darüber sprechen kann und so humorvoll und witzig geblieben ist.
Wir haben auch viele tiefgründige Themen angesprochen, wie zum Beispiel die drei wichtigsten Fragen des Lebens: Wo kommen wir her? Warum sind wir hier? Wo gehen wir hin?
Sehr viele Fragen durften wir Herrn Rabbiner Dr. Rothschild stellen. Seine Antworten waren mit vielen Gegenfragen gespickt, welche für uns richtig überraschend und interessant waren. Rabbiner Rothschild sagte, dass viele Fragen offen bleiben, auch wenn wir versuchen, diese zu beantworten. Er sagte uns auch, dass es nie eine für alle 100-prozentig richtige Antwort gibt und dass man immer auf seine Wortwahl achten muss.
Herr Dr. Rothschild gab uns Einblicke in die Sicht- und Denkweise eines progressiven Rabbiners und hat uns ständig dazu ermutigt, unsere eigenen Antworten auf alle Fragen zu suchen. Das Gespräch wird uns immer in Erinnerung bleiben. Wir werden noch lange darüber nachdenken.
Auf den Weg gab uns Herr Rabbiner Dr. Rothschild folgende Fragen, die wir an alle in unserer Schule weiter richten möchten:
-Warum gibt es Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung in Deutschland immer noch, nachdem dieses Land, in dem wir alle leben, die schrecklichen Ereignisse des 2. Weltkrieges noch verarbeitet und Menschen aufnimmt, die selbst Ausgrenzung erfahren haben?
- Warum haben viele Menschen zu wenig Verständnis füreinander und was sollen wir tun, um einander besser zu verstehen?